Nährstoff-Antagonismen

Wenn „mehr“ plötzlich „weniger“ bedeutet

Beim Cannabisanbau geht es nicht nur um die Versorgung mit möglichst vielen Nährstoffen – sondern vor allem um ihr Verhältnis zueinander. Ist dieses Gleichgewicht gestört, blockieren sich Nährstoffe gegenseitig. Dieses Phänomen nennt man Nährstoff-Antagonismus.

Was ist ein Nährstoff-Antagonismus?
Ein Nährstoffantagonismus entsteht, wenn ein Übermaß eines Elements die Aufnahme oder Verwertung eines anderen verhindert. Das passiert meist durch Konkurrenz um Transportwege in der Wurzel oder durch chemische Wechselwirkungen im Boden oder Substrat.
Beispiel: Ein Zuviel an Kalium kann die Magnesium- und Calciumaufnahme hemmen – auch wenn diese ausreichend im Gießwasser vorhanden sind.

Typische Antagonismen im Cannabisanbau

🟠 Kalium (K⁺) ↔ Magnesium (Mg²⁺) & Calcium (Ca²⁺)Zu hohe Kaliumkonzentrationen – z. B. durch exzessiven Einsatz von PK-Düngern – können zu Magnesiummangel (Interkostalchlorosen) oder Calciummangel (nekrotische Blattspitzen, deformierte Neuaustriebe) führen.
Quelle: Mengel & Kirkby, “Principles of Plant Nutrition” (6th ed.), 2001
Empfohlene Ca:Mg:K-Verhältnisse im Substrat: ~3:1:1 (abhängig von Sorte und Substrat)

🔵 Phosphor (P) ↔ Zink (Zn), Eisen (Fe), Kupfer (Cu)Hohe Phosphatwerte – besonders bei pH-Werten über 6,5 – binden Spurenelemente und machen sie für die Pflanze schwer verfügbar. Besonders häufig betroffen: Eisen (Fe), das bei Lichtmangel oder zu hohem pH zu Chlorosen führt.
Quelle: Marschner's Mineral Nutrition of Higher Plants, 3rd ed., 2012

🟢 Calcium (Ca²⁺) ↔ Magnesium (Mg²⁺)Obwohl beide Nährstoffe wichtig für die Zellstruktur sind, können sie sich in hoher Konzentration gegenseitig verdrängen – insbesondere auf Kokossubstraten oder bei hoher Wasserhärte (viel Ca, wenig Mg).Symptom bei Magnesiummangel: Vergilbte Blattzwischenräume an älteren Blättern
Typisches Verhältnis im Gießwasser: Ca:Mg = ca. 3:1
Quelle: Smart Grower EU – Water Quality for Cannabis Cultivation, 2020

🟣 Ammonium (NH₄⁺) ↔ Kalium (K⁺) & Magnesium (Mg²⁺)Ammonium wird im Substrat rasch zu Nitrat umgewandelt – doch in hohen Mengen kann es Kalium und Magnesium aus dem Ionenhaushalt verdrängen. Zusätzlich senkt NH₄⁺ den pH-Wert im Wurzelbereich, was wiederum die Spurenelementaufnahme beeinflusst.
Quelle: Hochmuth, G. et al., “Nutrient Solution Formulation for Hydroponic (Soilless) Production Systems”, University of Florida, 2001

Rolle von pH & EC
Die Verfügbarkeit der Nährstoffe hängt stark vom pH-Wert ab. Besonders Mikronährstoffe wie Eisen, Mangan oder Zink sind pH-sensibel. In Hydro-/Coco-Systemen liegt der ideale pH-Wert bei 5,8–6,2. In Erde etwas höher, meist 6,2–6,5.Auch der EC-Wert (elektrische Leitfähigkeit) gibt Hinweise auf das Salzgehalt-Niveau – aber nicht auf das Gleichgewicht der einzelnen Ionen. Ein ausgewogener EC-Wert kann dennoch antagonistische Effekte verbergen.
Quelle: CANNA Research, "How EC and pH interact", 2016

Praxis-Tipps zur Vermeidung von Antagonismen

🔬 Wasseranalyse nutzen
Kenne die Calcium- und Magnesiumwerte deines Leitungswassers. Viele Wasserversorger stellen diese kostenlos zur Verfügung.

📉 Nährstoffe separat einmischen
Besonders Calcium, Phosphat und Sulfat nicht zusammen in hochkonzentrierter Lösung mischen. Die Gefahr von Ausfällungen ist hoch.

📈 Drain kontrollieren
Regelmäßige Kontrolle des Drain-ECs gibt Hinweise auf Anreicherungen oder Ungleichgewichte.

📏 Verhältnisse beachtenCa:Mg = 3:1K:Mg = 4:1N:K in Blüte eher 1:2P:K in Blüte ca. 1:3

📌 Chelatformen bevorzugen
Spurenelemente (Fe, Mn, Cu, Zn) immer in Chelatform verwenden – EDTA, DTPA oder EDDHA – um ihre Bioverfügbarkeit zu sichern.

Fazit
Nährstoffantagonismen sind kein theoretisches Randthema, sondern der Schlüssel zu einem stabilen Grow – besonders unter künstlichen Bedingungen mit hohen Lichtintensitäten und präziser Düngung.
Wer ihre Mechanismen versteht, kann gezielt steuern – nicht nur Symptome kurieren. Für ambitionierte Grower ist dieses Wissen eine echte Ernteversicherung.

Weiterführende Literatur:
Marschner’s Mineral Nutrition of Higher Plants, 3rd ed., Elsevier
Mengel & Kirkby: Principles of Plant Nutrition, Kluwer Academic
Johnson et al., Nutrient Interactions in Cannabis, Greenhouse Grower Magazine, 2021